Meditativ und kraftvoll
Aus der Allgäuer Zeitung vom 22.07.2015, von Peter Schupp
Ein spektakuläres Konzert fand im Jahr 1836 in Düsseldorf statt. Der 27-jährige Felix Mendelssohn-Bartholdy leitete die erste Aufführung seines monumentalen Oratoriums „Paulus“. Beteiligt waren nicht weniger als 172 Musiker und 356 Choristen. Was die Zeitgenossen ahnten, ist für uns heute Gewissheit. Es handelt sich um eines der großartigsten Werke der geistlichen Musik des 19. Jahrhunderts. Benedikt Bonelli, renommierter Chordirektor an der Basilika in Kempten, hatte den Mut und die Tatkraft dieses Werk mit dem Chor der Basilika und dem Vokalensemble Kempten, aufzuführen. Mit hoher künstlerischer Kompetenz (es lohnt sich, sein Geleitwort im Programmheft zu lesen) und einem wohltuend präzisen Dirigat gelang es ihm eine Aufführung zu gestalten, die mehr als bemerkenswert war. Lob ist bei allen beteiligten Gruppen angebracht. Die Kammer-Philharmonie Bodensee-Oberschwaben glänzte mit einer ausgezeichneten, klanglich differenzierten Wiedergabe des Instrumentalparts, wobei bereits die prachtvolle Ouverture aufhorchen ließ. Die Bläsergruppe zeigte – hier wie an späteren Stellen – (etwa beim Choral „Wachet auf!“), dass es ihr nicht an „Power“ fehlt.
Exquisit waren die Gesangssolisten: Stephanie Bornschlegl (Sopran), Roman Payer (Tenor) und Thomas Gropper (Bass). Ausgedehnte Arien gibt es zwar nicht, aber durchaus genügend anspruchsvolle (erzählerische) Solopartien. Die Gestalt des Saulus/Paulus wurde von Gropper mit fester Stimme, mit opernhaftem Gestus, mit bester Artikulation und Mimik geradezu lebendig gemacht. Wunderbar war die einfühlsame Abstimmung mit Payer in den beiden Duetten Barnabas/Paulus. Payer als „Erzähler“ und „Stimme Jesu“ glänzte mit makellosem Tenor und sang die auch theologisch bedeutsame Arie „Sei getreu bis in den Tod…“ mit großer Innigkeit. Die dramatischen Szenen, teilweise im Wechsel mit dem Chor,waren insbesondere im ersten Teil ausgesprochen gelungen.
Eine vielfältige Rolle hatte die Sopranistin Bornschlegl als Erzählerin und auch als „Stimme Jesu“. Mit ihrem in allen Lagen klaren Sopran konnte sie ihre Partien hervorragend gestalten. Sie überzeugte mit sicherem Einsatz, mit eleganten Phrasierungen und wunderbarer Tonführung bei den Piano-Stellen. Geradezu anrührend zu hören war die Arie „Jerusalem, die du tötest die Propheten …“.
In den Chorsätzen tritt der Einfluss von Bach (Einbeziehung von Chorälen) und von Händel (prachtvolle Chorfugen), aus dem Mendelssohn nie ein Hehl machte, am deutlichsten hervor. Er greift im formalen Aufbau auf die beiden Vorbilder zurück, setzt aber bei Harmonik und Instrumentierung ganz neue Maßstäbe. Jeder der beiden Werk-Teile wird gerahmt von einem Eingangs- und einen Schluss-Chor. Mit kraftvollen akkordischen Einsätzen („Herr, der Du bist der Gott,…“) die an die Ouverture anschließen, oder im Jubel „Der Erdkreis ist nun des Herrn …“ beeindruckte der Chor. Es gelang ihm eine werkgerechte Klangwelt zu evozieren, die heiklen Fugen transparent zu gestalten und in den Durchführungen nicht auseinanderzufallen. Eine besondere Leistung. Beispielhaft für die Gestaltung der Choräle war „Dir, Herr will ich mich ergeben, …“ . Bonelli wählte ein langsames, ruhiges Tempo und arbeitete den (Gebets-)Charakter wunderbar heraus. So werden Choräle zu meditativen Erlebnissen und musikalischen Perlen. Das begeisterte Publikum in der voll besetzten Basilika spendete stehend anhaltenden Applaus.
Hingebungsvolles Zusammenspiel
Aus der Schwäbischen Zeitung vom 27.02.2018, von Babette Caesar
[…] Bornschlegls Sopran brachte die Vielgestaltigkeit der Lieder zum Schwingen: in harmonischen Wechseln zwischen stark bewegtem Vorwärtsdrängen und stiller Zurücknahme in „Les roses d´Ispahan“. Ihrer Tonführung haftet, gleichsam in melodramatischen und euphorisierenden Partien, das Erleben von Leichtigkeit und geerdeter Selbstverständlichkeit an; präsent, ohne dick aufzutragen, in hervorragendem Zusammenspiel mit Schreibmayer am Klavier; in Victor Hugos „Rêve d’armour“, in dem der Klavierpart hingebungsvoll hervortritt; und gleich danach bei hohem Tempo in „Notre armour“ von Armand Silvestre, wo Bornschlegls Sopran die vom Wind so flatterhaft bewegten Düfte wiedergibt. Sie beschwört das Zauberhafte und Heilige der Liebe ohne pathetisch zu werden – ganz im Sinne von Fauré. […]
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